30. April 2025

Kunstgeschichte neu erleben: Wie VR beim Eintauchen in die Kunstbildung hilft

Dass Kunstgeschichte keine trockene Materie ist und durchaus Spannendes zu bieten hat, ist vielleicht dieser Tage wieder ins Gedächtnis vieler Menschen gerückt. Mit dem Tod des Papstes und dem folgenden Konklave steht mit dem Vatikan auch eines der europäischen Kunstzentren im Fokus der Nachrichtenwelt. Meisterwerke aus mehreren Jahrtausenden kommen so ganz beiläufig zu regelmäßiger Medienpräsenz. Allen voran natürlich die Sixtinische Kapelle mit Michelangelos ikonischen Fresken, aber auch ein Künstler wie Caravaggio mit durchaus bewegter Vita und dem Image als „Bad Boy des Barocks“ können sich dank der Ereignisse im Heiligen Jahr neuer Aufmerksamkeit erfreuen.

Eines von Caravaggios berühmtesten weltlichen Werke – „Die Falschspieler“ – steht nun auch im Zentrum einer neuen VR-basierten Lehrwelt, die Kunstgeschichte auf gänzlich neuer Art erlebbar machen möchte. Das auf Visual Computing spezialisierte COMET-Zentrum VRVis hat gemeinsam mit der Universität für angewandte Kunst Wien sowie dem CReA Lab der Universität Wien eine frei verfügbare Lehrumgebung für den Kunstgeschichte-Unterricht in Virtual Reality entwickelt. Hierbei wurde wissenschaftlich fundiertes Interaktionsdesign mit jahrhundertealten Gedächtnistechniken („Mnemotechnik“) verbunden, um Kunstgeschichte in VRChat spielerisch zugänglich zu machen.

© VRVis

Aufbauend auf der antiken Loci-Methode wird das Bild in einer digital nachgebildeten Gedächtnisarchitektur verortet, die einem Amphitheater nachempfunden ist. Im Mittelpunkt steht das Caravaggio-Gemälde, das derzeit in der viel beachteten Werkschau im Palazzo Barberini in Rom ausgestellt ist. In diesem aufsteigenden Publikumsraum werden zudem weitere Elemente wie etwa 3D-Modelle, animierte Objekte und historische Einordnungen ergänzt. Alle zusätzlichen Objekte bieten Interaktionsmöglichkeiten, die Userinnen können beispielsweise mit einer Infrarotkamera verborgene Details aufspüren oder mit einer Lupe der Maltechnik auf den Grund gehen.

Das ARTverse-Projekt entwickelt Werkzeuge, die Kunstschaffenden und Kulturinstitutionen neue Möglichkeiten bieten, digitale Werke in VR-Räumen zu präsentieren. Das Ziel ist laut Projektverantwortlichen eine „offene virtuelle Umgebung für Kunstprojekte“, die auf neue Interaktionsformen setzt und mit der Öffentlichkeit geteilt wird. Der Kerngedanke des Projekts ist Multimedia in den Dienst von Bildung und lebenslangem Lernen zu stellen. Dabei soll das interaktive Design gleich mehrere Sinne ansprechen und das Gefühl vermitteln, sich in der Umgebung zu befinden oder tief darin einzutauchen. Technische Möglichkeiten, die nicht nur Interesse wecken, sondern nachweislich auch das Erinnern und Verstehen komplexer Inhalte steigern – eine ideale Grundlage für spielerisches und zugleich hochwertiges Lernen. So werde das Lernen in neue Sphären gehoben, nicht durch Automatisierung, sondern durch kreativen Unterricht.

 

Die modulare Open-Source-Lehrwelt ist via GitHub frei zugänglich und kann flexibel für unterschiedliche Epochen, Künstlerinnen oder Werke angepasst werden. Pädagoginnen und Kunsteinrichtungen finden vorgefertigte Skripte, VR-kompatible 3D-Objekte und Empfehlungen für die Einbindung von Plattformen wie Europeana oder Sketchfab.

Während Caravaggio mit seiner turbulenten Persönlichkeit und zahlreichen Straftaten bis hin zu Mordvorwürfen zeitlebens für Aufsehen sorgte, sind seine künstlerischen Beiträge in Sachen Innovation über die Jahrhunderte hinaus fast noch faszinierender. So forderte er nicht nur die früheren Konventionen in der Darstellung hochidealisierter religiöser Szenen heraus, sondern leistete auch Pionierarbeit für viele folgende Generation an Künstlerinnen bis in die Gegenwart mit seiner bahnbrechenden Chiaroscuro-Malweise, die auf extrem starken Kontrasten zwischen Licht und Schatten baut.

Solche Kontraste auch in einer virtuellen Umgebung erlebbar zu machen, ist das Ziel von ARTverse. Künstlerische Ausbildung und Schaffensprozesse können damit um eine technisch-visuelle Ebene erweitert und auch die Präsentationmethoden für digitale Kunst und die Auseinandersetzung damit belebt sowie ausgebaut werden.

VRVis ist Österreichs führende Forschungseinrichtung auf dem Gebiet des Visual Computing und betreibt mit seinen über 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen und Universitäten innovative Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Das VRVis ist ein Kompetenzzentrum, welches im Rahmen des COMET-Programms durch BMIMI, BMWET, Land Tirol, Land Vorarlberg und Wirtschaftsagentur Wien – Ein Fonds der Stadt Wien gefördert wird. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt. www.vrvis.at