Kategorie Innovation & Technologie - Vor 3 Tagen

»Made in Vienna« – erster Mini-Quantencomputer ins All gestartet

In Kalifornien wurde vergangene Nacht österreichische Technologiegeschichte geschrieben: Zum allerersten Mal wurde ein Quantenprozessor ins Weltall geschickt. Der photonische Quantencomputer, der von einem internationalen Team unter der Leitung von Philip Walther von der Universität Wien entwickelt wurde, zeichnet sich durch besondere Robustheit gegenüber den extremen Bedingungen im Weltraum aus.

Das Mini-System in der Größe von drei Milchpackerln wurde gestern Nacht von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien (USA) – als Teil der Satellitenplattform „ION“ – mit einer „Falcon 9“-Rakete von SpaceX ins All geschossen und ist nun der weltweit erste Quantenprozessor im Weltraum.

Start des Transporters 14 auf einer Falcon 9 Rakete, die von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien (USA) mehrere Mini-Satelliten ins All transportierte. © SpaceX

Der mit dem 150 x 150 x 453 Millimeter messenden und 9,5 Kilogramm schweren Quantenprozessor ausgestattete Satellitenträger soll die Erde in einer Höhe von 550 km umkreisen. Rund eine Woche nach dem erfolgreichen Aussetzen von „ION“ könnte dann der von einem Team um Quantenphysiker Philip Walther – aufbauend auf „zwei Jahrzehnte Expertise und in nur eineinhalb Jahren mit Vollgas entwickelte Mini-Quantencomputer“ erste Signale senden, sagte der Projektleiter zur APA. Normalerweise entwickle man ein solches System in zehn Jahren. Ob es tatsächlich den extremen Bedingungen im All standhält, sei aber erst Wochen nach dem Launch nachvollziehbar.

„Große Kunst“

„Wenn das Ding oben funktioniert und die Aufgaben macht, die es tun sollte“, sei das sicherlich die größere Sensation, so Walther. Über die genauen Daten, die das System sammeln soll, sowie konkrete Forschungsfragen könne man noch keine Auskunft geben. Allfällige Ergebnisse würden für Fachpublikationen aufbereitet und damit dann zu einem späteren Zeitpunkt publik.

„Weltraummissionen sind immer schwierig. Das System muss erst einmal den Start der Rakete und damit auch kurzfristig g-Kräfte überleben, die dem Tausendfachen der Erdanziehung entsprechen. Es muss Temperaturschwankungen von plus 70 auf minus 30 Grad Celsius aushalten, im Vakuum funktionieren und darf nur wenig Strom verbrauchen“ – genau hier könnte sich ein Quantencomputer als nützlich erweisen: „nämlich mit seinem effizienteren Stromverbrauch oder auch dem Ansatz, schneller rechnen zu können“, erläuterte Walther. Mittels „Edge Computing“ soll das System die von ihm gesammelten Daten direkt auf dem Satelliten verarbeiten. Anstatt die Daten über Kommunikationskanäle zu übertragen, liefere der Satellit die Analyseergebnisse direkt. „Das ist die große Kunst. Je mehr man bereits oben prozessieren kann, desto besser ist man unterwegs.“

„Wir arbeiten mit Lichtteilchen – diese Art von Quantentechnologie-Hardware ist in meinen Augen deutlich besser als alle anderen Architekturen, etwa Ionen oder Supraleiter“, so der Forscher. Photonische Systeme könne man leichter, kleiner und robuster bauen. „Diese Mission erlaubt uns zudem, die Leistung und Haltbarkeit von Quantenhardware unter extremen Bedingungen zu testen.“

Im Rahmen des Projektes arbeitete man mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Nationalen Forschungsrat (CNR) in Mailand, dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Wiener Start-up Qubo Technology zusammen. Der Mini-Quantencomputer wird – wie sein Träger „ION“ – nach Abschluss seiner Mission kontrolliert in der Atmosphäre verglühen. Die Mission ist für sechs Monate angesetzt, die Forschenden hoffen, „über mehrere Jahre Daten beziehen zu können, um die Folgen langfristiger Weltraumbedingungen für Quantentechnologie studieren zu können“, so Walther.

“Österreich gehört im Bereich Quantenwissenschaft und Quantentechnologie schon jetzt zu den besten Nationen weltweit. Wie der aktuelle FTI-Monitor belegt, hat sich Österreichs Leistungsfähigkeit in den vergangenen Jahren insbesondere in den Schlüsseltechnologien Photonik, fortgeschrittene Werkstoffe und Quantentechnologie deutlich verbessert. Und das sowohl bei der Anzahl der Patente als auch beim Spezialisierungsgrad. Im Bereich der Photonik zählt unser Land hier zu den internationalen Top 5 Nationen”, so Innovationsminister Peter Hanke.

Mit dem Förderprogramm Quantum Austria, das aus Mitteln der Europäischen Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF) finanziert wird, stehen bis 2026 insgesamt 107 Millionen Euro für Quantenwissenschaften und -technologien bereit. Allein in der aktuellen, letzten Ausschreibung wurden mit dem BMFWF-Programm rund sechs Millionen Euro für innovative Projekte zur Verfügung gestellt, so auch für das Team von Philip Walter im Projekt SPACE. Mit diesem Projekt hat Österreich nun den ersten Quantenprozessor im All – ein international sichtbares Symbol für unsere Pionierrolle in der Quantentechnologie.

Service: Der Start des photonischen Quantencomputers “Made in Vienna” ist hier nachzuschauen: https://www.spacelaunchschedule.com/launch/falcon-9-block-5-transporter-14-dedicated-sso-rideshare/

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