Vor 2 Tagen
Wie KI & Robotik für die Wiederverwendung gebrauchter PV-Module genutzt werden können
Künstliche Intelligenz, optische Kontrolle und Robotik – diese Kombination hat das kürzlich gestartete Forschungsvorhaben WattsOK in petto, um eine automatisierte Qualitätsprüfung gebrauchter Photovoltaik-Module zu ermöglichen. Die Prüfergebnisse helfen dabei, fundierte Entscheidungen über Wiederverwendung oder Recycling zu treffen, um die Lebensdauer der Module zu maximieren und zugleich Ressourceneffizienz sowie Nachhaltigkeit im Photovoltaiksektor zu steigern. Das Projekt baut auf einem erfolgreichen Pilotvorhaben auf und wird vom AIT Austrian Institute of Technology in Kooperation mit mehreren Industriepartnern umgesetzt.
Der rasante Ausbau der Photovoltaik ist auch in Österreich ein zentraler Schlüssel zur Energiewende. 95 Prozent des Stromverbrauchs konnten 2024 durch erneuerbare Energien gedeckt werden – ein Rekordwert. Österreich hat sich zuletzt von einem Strom-Importland zum Netto-Exporteur entwickelt, wobei auch Sonnenstrom gehörigen Anteil hat. Eine der neuen Herausforderungen dieser Schiene der Energiewende ist – neben der zeitlichen Entkoppelung von Erzeugung und Verbrauch – wie man mit Millionen an PV-Modulen umgeht, die in den kommenden Jahren ihr Lebensende erreichen.
Derzeit werden ausgediente Module meist direkt recycelt, ohne vorher zu prüfen, ob sie nicht doch noch einsatzfähig sind. Bislang mangelt es an automatisierten Prozessen für eine objektive Entscheidung. Das neue Forschungsprojekt setzt genau dort an und stellt die Frage: Watts OK? – kann das Modul wiederverwendet oder sollte es recycelt werden? Mithilfe von Robotik und Künstlicher Intelligenz wird damit ein automatisierter Entscheidungsprozess entwickelt, der die optimale Verwertungsroute gebrauchter PV-Module ermittelt: Reuse oder Recycling.
Systematische Wiederverwendung alter PV-Module
„Mit WattsOK? entwickeln wir einen KI-basierten Ansatz zur systematischen Wiederverwendung von Photovoltaik-Modulen – und bringen dabei die Stärke des AIT ein, Forschung in industrielle Lösungen zu überführen“, erläutert Andreas Kugi, Scientific Director des AIT Austrian Institute of Technology das Forschungsprojekt, um der wachsenden Menge an gebrauchten PV-Modulen und die technologische Grundlage für deren systematische Wiederverwendung Herr zu werden. „Mit WattsOK? schaffen wir eine datengetriebene, automatisierte Lösung für ein reales Problem im PV-Sektor”, so Nicole Brosch, Leiterin des Projekts. „Gleichzeitig zeigt es auch, wie angewandte Forschung zur besseren Ressourcennutzung im Sinne der Kreislaufwirtschaft beitragen kann“, ergänzt ihr Kollege Laurin Ginner. Beide forschen am AIT im Bereich der optischen Inspektion und Bildverarbeitung.
- Gruppenbild des Projekt-Konsortiums © AIT
- Montage von Solarpaneelen. © AIT
Welche gebrauchten PV-Module ein zweites Leben verdienen und welche tatsächlich dem Recycling zugeführt werden müssen, wird so laut AIT ein automatisierter Entscheidungsprozess handhaben. Er beinhaltet zum einen KI-gestützte optische Inspektionsverfahren zur Prüfung der Oberflächenqualität, sowie zum anderen präzise elektrische Messungen zur Prüfung der Funktionalität.
Ergänzt wird dieser Prozess durch einen robotergestützten Austausch von Steckverbindern – ein erster Refurbish-Schritt, der die Module wieder einsatzfähig macht. Eine zentrale Rolle spielt dabei eine Datenbank, die Inspektionsdaten, Messwerte und Produktparameter miteinander verknüpft. Diese Datenbank dient nicht nur als Grundlage für die KI-Algorithmen, sondern sorgt auch für Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen.
„Mit unserer Anlage sind wir First Mover im Bereich der automatisierten, ökonomisch sinnvollen und auch für größere Stückzahlen geeigneten Prüfung von PV-Modulen. WattsOK? nutzt die Daten aus den Prüfungen. Wir – und damit auch unsere Kundinnen und Kunden – profitieren von den Ergebnissen des Forschungsprojekts. Das Projekt ist ein tolles Beispiel dafür, wie sich Forschung und kommerzielle Nutzung effizient verbinden lassen – zum Vorteil aller Beteiligten”, sagt Simon Prüller, CEO und Co-Founder von 2nd Cycle.
Dem nun gestarteten Forschungsprojekt ging ein erfolgreiches Pilotvorhaben im Rahmen des European Digital Innovation Hub (EDIH) AI5Production voraus. In enger Zusammenarbeit zwischen dem AIT Center for Vision, Automation & Control und dem niederösterreichischen Green-Tech-Startup 2nd Cycle FlexCo wurden, im Rahmen der „Test Before Invest“-Initiative, erste innovative Ansätze zur automatisierten optischen Inspektion gebrauchter PV-Module erprobt und validiert.
Dieses Vorprojekt diente als Machbarkeitsstudie und legte den technologischen Grundstein für die nun gestartete, skalierbare Lösung. WattsOK? baut direkt auf diesen Erkenntnissen auf und zeigt beispielhaft, wie aus einem niederschwelligen Digitalisierungseinstieg über den EDIH ein vollwertiges, gefördertes Forschungsprojekt werden kann.
AI5Production unterstützt österreichische Unternehmen bei der digitalen Transformation mit Fokus auf Künstliche Intelligenz, Industrie 5.0, Cybersecurity und digitale Produktion. Mit Zugang zu modernster Infrastruktur, Beratung und Testumgebungen ist der Hub zentrale Anlaufstelle für innovative Entwicklungen. Nun soll es in die nächste Runde gehen.
Projektpartner
- AIT Austrian Institute of Technology – Koordination, hoch-performante Oberflächeninspektion, KI-Entscheidungsprozesse, Reuse-Strategien
- 2nd Cycle FlexCo – Multi-Sensor Reuse/Recycling Line
- PROFACTOR GmbH – Robotik
- TÜV AUSTRIA HOLDING AG – Aufbau skalierbarer Datenstruktur und Datenfusion, KI-Entscheidungsprozesse
- Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft – Life Cycle Assessment
- METRAN Rohstoff-Aufbereitungsgesellschaft m.b.H. – Recycling-Strategien
Das Projekt „WattsOK?“ wird im Rahmen der nationalen FTI-Ausschreibung Kreislaufwirtschaft und Produktionstechnologie vom Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI)) gefördert. Die Abwicklung erfolgt durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).