22. Oktober 2025

Wie Radfahren auf der Landstraße sicherer werden kann

Ein neues Forschungsprojekt untersucht im Auftrag des Bundesministeriums für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI), ob sogenannte Mehrzweckstreifen mit schmaler Kernfahrbahn als Sonderlösung die Sicherheit für Radfahrende auch auf Freilandstraßen erhöhen und die Lücken im Radwegenetz schließen können.

Im Burgenland, in Kärnten und in Vorarlberg starten erste Pilotuntersuchungen, begleitet von modernster Sensorik und sozialwissenschaftlichen Erhebungen. Ziel ist es, evidenzbasierte Grundlagen für künftige Planungen zu schaffen und einen wichtigen Schritt hin zu sicherer, klimafreundlicher Mobilität zu gehen.

L96 Wörthersee Südufer Straße, Oberdellach; Auen; Bodenmarkierung; Teststrecke; Mehrzweckstreifen; Forschungsprojekt; Aufnahmedatum 22.9.2025; Kärnten;

Um die europäischen Klimaziele zu erreichen, muss der Verkehr seine Treibhausgasemissionen drastisch senken. Österreich hat sich sogar vorgenommen, bereits 2040 klimaneutral zu sein. Ein zentraler Baustein dabei: die Stärkung aktiver Mobilität und vor allem des Radverkehrs – auch auf Freilandstraßen, wo bisherige Standardlösungen wie baulich getrennte Radwege nicht immer umsetzbar sind.

Pilotversuche in drei Bundesländern

„Wir brauchen neue Ansätze, um Lücken im Radwegenetz abseits der Städte zu schließen, wo die örtlichen Gegebenheiten keine baulich getrennten Fahrradwege ermöglichen. Mehrzweckstreifen mit schmaler Kernfahrbahn sind ein vielversprechendes Modell, das wir nun wissenschaftlich prüfen“, erklärt Sven Leitinger, Projektleiter des Forschungsprojekts MZSFreiland und Forscher bei Salzburg Research.

Das Holoscene Bike wurde vom Berliner Start-up Boréal Bikes entwickelt und wird von Salzburg Research für Forschungszwecke im Bereich Radverkehrssicherheit eingesetzt

Mehrzweckstreifen sind speziell markierte Teile der Fahrbahn, die in erster Linie für den Radverkehr vorgesehen sind, aber unter bestimmten Bedingungen auch von anderen Fahrzeugen genutzt werden dürfen. In Österreich sind sie derzeit nur innerorts bei einer maximalen Geschwindigkeit von 30 km/h zulässig – auf Freilandstraßen sind sie bislang nicht erlaubt. Das Projekt MZSFreiland prüft nun erstmals die Einsatzmöglichkeiten auf Freilandstraßen und untersucht die Sicherheitswirkungen, Akzeptanz und praktische Umsetzbarkeit.

Sensorik & Sozialforschung im Einsatz

Zur objektiven Datenerhebung nutzt Salzburg Research modernste Messmethoden: Das Forschungsfahrrad Holoscene Bike erfasst mittels LiDAR- und Videosensorik präzise Überholvorgänge zwischen Kraftfahrzeugen und Radfahrenden. Ergänzend messen Open Bike Sensoren und Seitenradare Verkehrsstärken, Geschwindigkeiten und Fahrzeugtypen.

 

Parallel dazu werden sozialwissenschaftliche Befragungen und Erfahrungsfahrten durchgeführt. „Uns interessiert nicht nur die objektive Sicherheit, sondern auch, wie sicher sich Radfahrende fühlen und wie die Akzeptanz in der Bevölkerung ausfällt“, betont Eva Aigner-Breuss vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV).

Drei Teststrecken in Burgenland, Kärnten & Vorarlberg

Im Burgenland wird auf der P456 Weppersdorfer Straße zwischen Weppersdorf und Lackenbach eine Lücke im Radnetz geschlossen. Auf einer Länge von 1,1 Kilometern entsteht ein beidseitiger Mehrzweckstreifen mit einer Breite von jeweils 1,80 Metern und einer schmalen Kernfahrbahn mit drei Metern Breite. Zu Beginn und am Ende der Strecke weisen rote Bodenmarkierungen sowie Infotafeln auf die geänderte Infrastruktur hin.

In Kärnten wird auf der L96 Wörthersee Südufer Straße ein besonders stark frequentierter Abschnitt für den Radverkehr adaptiert. Auf rund einem Kilometer zwischen Auen und  Oberdellach werden beidseitige Mehrzweckstreifen mit einer Breite von je 1,50 Metern markiert, während die Kernfahrbahn rund drei Meter breit bleibt. Zusätzliche Markierungen und Verkehrsschilder warnen im Bereich eines Strandcafés vor Gefahren durch öffnende Pkw-Türen.

In Vorarlberg wird auf der L50 Montfortstraße zwischen der Ortstafel Götzis und St. Arbogast ein bergaufführender Streckenabschnitt untersucht. Hier soll als temporäre Lösung, zwischen Oktober 2025 bis August 2026, bergauf ein Mehrzweckstreifen mit einer Breite von 1,75m und eine schmale Kernfahrbahn mit einer Breite von 4,25m umgesetzt werden. Bergab, werden Sharrows markiert, um auf Radfahrende aufmerksam zu machen.

Alle Teststrecken wurden bzw. werden im September bzw.Oktober 2025 neu markiert. Nach einer Eingewöhnungszeit von mindestens einem Monat wird mit den Sensorik-Messungen, Befahrungen und Befragungen begonnen. Die Testphase dauert jeweils bis August 2026. Die Ergebnisse werden nach Projektende im Herbst 2026 veröffentlicht.

Getragen wird das Projekt von einem multidisziplinären Konsortium. Salzburg Research übernimmt die Projektkoordination sowie die Datenerhebung mittels Sensorik. Das Büro con.sens verkehrsplanung bringt seine Expertise in der Radverkehrsplanung und Richtlinienarbeit ein. Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) führt sicherheitsrelevante Analysen durch und bringt langjährige Erfahrung aus der Verkehrssicherheitsforschung ein. Dieses Projekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms Zero Emission Mobility plus 2024 durchgeführt.

SERVICE:
Link zur Online-Befragung: http://r.kfv.at/befragung-rad-mehrzweckstreifen (Kärnten und Burgenland)
Details zum Forschungsfahrrad Holoscene Bike zur Messung von Überholmanövern zwischen Radfahrenden und Kfz: https://www.salzburgresearch.at/tools-methods/forschungsfahrrad-holoscene-bike/
Mobilitäts-Förderungen des Klima- und Energiefonds: https://www.klimafonds.gv.at/themen/mobilitaet/